Hintergrund

Ein Liederbuch, das verbindet

Erklärtes Ziel aller Beteiligten war es, ein integratives Liederbuch zu schaffen – ein Liederbuch, das verbindet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die breite und bunte Vielfalt der Singkulturen, die es enthält, ist eine besondere Stärke dieses neuen Buches. Jeder kann aus einer großen Fülle auswählen, was ihn in seinem Glauben, Hoffen und Lieben stärkt und von Herzen loben lässt.

Vielleicht findet jemand zu manchem Lied nur schwer einen Zugang: Seine Sprache, seine Frömmigkeit, sein musikalisches Gewand sind seiner Lebenswelt fremd. Andere Lieder treffen den persönlichen Ton besser. Man muss ja auch nicht alles gleichermaßen gut finden und singen wollen, denn wir sind uns dessen bewusst, dass die Vielfalt in der Adventgemeinde größer ist als der persönliche Geschmack. Und doch könnte die Herausforderung gerade auch darin bestehen, das Fremde nicht abzuwehren, sondern als Chance wahrzunehmen: das Fremde als notwendige Ergänzung zum Vertrauten mit der Möglichkeit, das Miteinander zu beleben. Möglicherweise ist ein Lied auch in dem Umfeld, in dem wir leben, schon abgesungen, ein „alter Hut“. Dann mag es andere Gegenden oder Gemeinden geben, in denen es eben erst angekommen ist. Oder eine andere Generation als unsere entdeckt es gerade. Schon der Psalmdichter hat in seiner Zeit gebeten: „Alte mit den Jungen sollen loben den Namen des Herrn.“ (Ps 148,12.13)

Im Übrigen: Mancher wird und darf auch weiterhin mit Liedern leben, die es nicht ins Buch „geschafft“ haben, aus welchen Gründen auch immer. Sie verlieren darum nicht ihren Wert. Die persönliche Beziehung zu einem Lied, die Erfahrungen damit sind ein Schatz, den uns niemand nehmen kann.

Manches hat sich geändert

Text und Melodie eines Liedes sind Kinder einer bestimmten Zeit, eines bestimmten Stils. Auch die mehrstimmigen Sätze versuchen dem gerecht zu werden: Die Harmonik der Reformationszeit ist nicht dieselbe wie zur Zeit Bachs, und ein Erweckungslied des 19. Jahrhunderts hat wiederum ein ganz eigenes Klangbild. Ebenso erfordern das Neue geistliche Lied auf der einen und Worship-Songs auf der anderen Seite eine unterschiedliche Stilistik in der Begleitung.

Viele Aspekte des praktischen Gebrauchs wollten darüber hinaus bedacht und berücksichtigt sein: die Beibehaltung der typischen Stilistik bei nicht zu hohem Schwierigkeitsgrad, die Übersichtlichkeit für die Singenden, die Entscheidung für einen Chor- oder Klaviersatz, die Vereinbarkeit der Akkordbezeichnungen mit dem mehrstimmigen Satz, dazu Wünsche und Forderungen der Autoren … Es liegt auf der Hand, dass sich all die genannten Anforderungen oft nur mit einem Kompromiss lösen ließen. So wurden einige Lieder einstimmig belassen, weil ein mehrstimmiger Satz den Rahmen des Buches gesprengt hätte. Für solche Lieder werden ergänzende Sätze in einem Sonderheft „31 Klaviersätze“ oder online angeboten.

Wie Lieder entstehen

Dass ein Gesangbuch von seinen Liedern lebt, ist selbstverständlich. Es wird aber darüber hinaus bereichert durch die Möglichkeit, etwas über ihren Hintergrund zu erfahren. Wenige Lieder entstehen ja als Einheit von Text, Melodie und Satz. Viel häufiger sind sie das Ergebnis eines Prozesses. Diesen zu verfolgen, kann ungemein spannend sein. Die Legende unter jedem Lied gibt darüber Auskunft.

Ein Beispiel: Am Anfang steht ein altes Volkslied über einen reichen Edelmann. Die zugehörige Melodie erhält ihren ersten geistlichen Text im 16. Jahrhundert in tschechischer Sprache. Später werden einzelne Strophen mehrerer deutscher Autoren aus verschiedenen Jahrhunderten und Gegenden zusammengefügt und mit der inzwischen in Vergessenheit geratenen, dann wiederentdeckten Melodie verbunden. In jüngster Vergangenheit schließlich passt man den Text behutsam dem heutigen Sprachempfinden an. Und wenn wir heute „Sonne der Gerechtigkeit“ singen, empfinden wir das Lied als Einheit. Nur die Angaben in der Legende verraten noch ein wenig von seiner wechselvollen Geschichte. 

Ebenso faszinierend kann es sein, auch die Autoren der Lieder näher kennenzulernen, zu erfahren, in welcher Zeit sie lebten und welche gesellschaftlichen und persönlichen Erlebnisse sie prägten. Groß ist die Vielfalt ihrer religiösen Herkunft und jeweiligen Frömmigkeit, gerade auch in der Gegenwart. Wenn wir etwas über den Hintergrund eines Liedes erfahren, wächst die Wahrscheinlichkeit, es über das reine Singen hinaus auch als Glaubenszeugnis zu schätzen.

Diese Autorenbiografien finden sich im Anhang des Buches neben weiteren Verzeichnissen: Stichworte, Bibelstellen, Rechteinhaber. Darüber hinaus gibt es einen Teil mit Texten und Gebeten, mit Gedanken und Anregungen für die persönliche Andacht, die Andacht in der Gruppe und für den Gottesdienst. Hier (sowie online) werden auch Bausteine für die gottesdienstliche Gestaltung zur Verfügung gestellt, insbesondere mit der Serie „Lebenslieder“.